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„Corona“ hat Freude an unternehmerischer Selbstständigkeit deutlich gedämpft
Neue Weichenstellungen erforderlich: Handwerk legt Positionspapier zur Landtagswahl 2022 vor

„Die Betriebe des Handwerks brauchen Klarheit, Zuverlässigkeit und eine gewisse Beständigkeit der politischen Rahmenbedingungen“, betont Mike Schneider, Präsident des Niedersächsischen Handwerkstages (NHT), anlässlich der traditionellen Aschermittwochspressekonferenz des niedersächsischen Handwerks am 02.03.2022 in Hannover.

 „Corona“ hat deutliche Spuren mit Blick auf die Freude am Unternehmertum hinterlassen. Im Rahmen einer Betriebsumfrage, an der sich 800 Betriebe aus ganz Niedersachsen beteiligt haben, gaben mit 60 Prozent zwar die Mehrheit der Handwerkerinnen und Handwerker an, dass sie sich auch unter den aktuellen Rahmenbedingungen wieder selbstständig machen würden. Für 40 Prozent käme dieses allerdings derzeit nicht in Frage. Darunter betonten 20 Prozent ihre Einstellung zur Selbstständigkeit coronabedingt verändert zu haben. Zu viele Verordnungen, zu große Unsicherheiten in den Betriebsabläufen, zu viel Druck und Zeitaufwand sowie Ausfälle bis hin zu Betriebsschließungen haben die Unternehmerfreude deutlich abkühlen lassen. Dabei zeigt die Umfrage, dass gerade das Handwerk sehr robust aufgestellt ist und die Perspektiven ausgesprochen gut sind.

 Die Nachfrage nach handwerklichen Leistungen ist in nahezu allen Bereichen sehr groß. „Mit ihrer Wirtschaftslage sind gegenwärtig fast 90 Prozent der Betriebe zufrieden, darunter knapp 60 Prozent sogar sehr zufrieden. Vor dem Hintergrund der außerordentlichen Infrastrukturdefizite im Straßen- und Brückenbau, in Schulen oder auch im Wohnungsbau sowie der aktuellen Herausforderungen im Rahmen der Klima- und Energiewende oder auch bei der elementaren Grundversorgung vor Ort verwundert das wenig“, betont der Spitzenvertreter des Handwerks. „Auch im Hinblick auf die weitere Entwicklung zeigen sich die Betriebe insgesamt optimistisch. Acht von zehn Betrieben rechnen mit einer unverändert soliden oder verbesserten Lage. Nur knapp 2 Prozent der Betriebe gehen von einer deutlichen Abkühlung aus. Diese Einschätzung wird von den Konjunkturexpertinnen und -experten der niedersächsischen Handwerkskammern bestätigt. Sie rechnen mit einem Umsatzplus von ca. 3 Prozent für das Jahr 2022 auf knapp 69 Milliarden Euro. Die Beschäftigtenzahl wird gemäß den Prognosen auf 542.000 leicht ansteigen. Dabei werden bei weitem nicht alle offenen Stellen für qualifizierte Handwerkerinnen und Handwerker besetzt werden können. Die Fachkräftegewinnung ist eine große, aber aktuell nicht die größte Herausforderung.

 Die Entwicklung der Beschaffungspreise für Rohstoffe und Materialien belasten 72 Prozent der Betriebe, die wachsenden Energiekosten knapp 70 Prozent. 69 Prozent klagten zudem über die wachsende Bürokratie, während die Fachkräftegewinnung von 66 Prozent als Herausforderung eingestuft wurde.  „Höhere Kosten und Wartezeiten werden sich für handwerkliche Leistungen nicht vermeiden lassen. Dabei ist in den letzten 10 Jahren, d.h. bis Ende 2019 - also vor Corona - die Zahl der Beschäftigten bereits von 504.000 auf knapp 554.000 gestiegen, im Schnitt jedes Jahr 5.000 neue Stellen - und trotzdem ist der Bedarf weiterhin sehr groß.“

 „Wir brauchen neben qualifizierten Fachkräften mehr junge Menschen, die Spaß daran haben, unternehmerische Verantwortung zu übernehmen“, betont Schneider.  Dass gerade die Ausbildung im Handwerk diesen Weg vorzeichnet, macht die gesonderte Befragung von über 1.000 Jungmeistern und ‑meisterinnen, die in den letzten fünf Jahren ihre Meisterprüfung abgelegt haben, deutlich. Fast jede und jeder Zweite gab an, sich in Zukunft selbstständig machen zu wollen. 85 Prozent dieser Jungmeisterinnen und Jungmeister begeistert die „berufliche Unabhängigkeit“, 66 Prozent die „Gestaltungsmöglichkeiten“ und 60 Prozent „die eigene Leidenschaft leben“ zu können und der „gezielte Einsatz der eigenen Fähigkeiten“. „Auch für diesen Weg müssen mehr junge Menschen gewonnen werden“, macht Schneider deutlich:

 Schneider fordert zur Entlastung der Betriebe und zur Stärkung des Nachwuchses:

 

  1. neben der Streichung der EEG-Umlage zum 01.07.2022 die Reduzierung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß,
  2. die Stärkung der Clearingstelle Bürokratieabbau,
  3. die Ausweitung der Förderung für Gründungen und Betriebsübernahmen im Rahmen der Meistergründungsprämie,
  4. die Stärkung der Förderung regionaler Kreisläufe und regionaler Absatzstrukturen z.B. über die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, welche bisher auf überregional tätige Betriebe ausgerichtet war. Zukünftig sollten auch regional tätige Betriebe in diese Förderung aufgenommen werden, wenn sie mit regionalen Produkten und Dienstleistungen Einkommen und Beschäftigung vor Ort schaffen.
  5. die Stärkung der Berufsorientierung über die Einführung von Ausbildungsbotschaftern, d.h. jungen Auszubildenden, die authentische Einblicke in ihre Ausbildungserfahrungen geben.
  6. die Einführung eines landesweiten AZUBI-Tickets, mit dem junge Auszubildende landesweit ihren Ausbildungsbetrieb, ihre Berufsschule und die überbetriebliche Bildungsstätte erreichen können und eine
  7. die angemessene Ausstattung der Berufsschulen und überbetrieblichen Bildungsstätten des Handwerks für eine umfassende berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung.

Gerade mit Blick auf den letzten Punkt ergänzt Schneider: „Wir haben ein erfolgreiches berufliches Bildungssystem, das für sehr viele Menschen eine sichere Zukunft bedeutet und welches wir mit allen Mitteln stärken müssen. Der hohe Fachkräftebedarf nach qualifizierten Handwerkerinnen und Handwerkern zeigt sehr deutlich, wie sehr sie gebraucht werden und welche Zukunftsperspektiven dieser Karriereweg hat. 

Hannover, 2. März 2022

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